Bessler-Rad
Das wundersame Rad des Johann Bessler
Der Versuch einer Rekonstruktion
Der Ansatz

Bessler spricht oft vom «Ersten Beweger», ein Hauptsymbol der traditionellen Metaphysik. Es symbolisiert den Urgrund aller Bewegung und wird vorwiegend als Achse (Weltenbaum) dargestellt. Dieses Symbol taucht in allen alten Traditionen auf. Das Grundprinzip des Bessler-Rades liegt deshalb sehrwahrscheinlich in der Achse.

Aber wie kann eine Achse die antreibende Kraft eines Perpetum Mobiles sein? Hinweise dazu finden wir ganz am Anfang seines Gedichtes in der «Apologia»:

Der Geiz ist eine Wurzel böß’ ,
Ein Amboß krieget viele Stöß’.

Amboss, Stöss – Stahl, Vibration, eine vibrierende Achse. Ein Phänomen, das in der modernen Mechanik um jeden Preis verhindert wird, denn es werden Kräfte frei gesetzt, die die ganze Konstruktion zu zerstören droht.

Wie kann nun eine vibrierende Achse für einen Energiegewinn genutzt werden? In Kombination mit stehenden (invertierten) Pendel. Diese werden bei vibrierenden Achsen beschleunigt, normale (hängende) Pendel werden gebremst.



Eine anschauliche Anwendung dieses Prinzips zeigt ein altes chinesisches Spielzeug, die
Hui-Maschine.

Nun muss jedoch dieser Energiegewinn irgendwie auf das Rad übertragen werden. Wie allgemein bekannt ist, lässt sich ein Rad durch Schläge kaum bewegen. Deshalb braucht es eine zweite Konzeption, die diese Kraftübertragung möglich macht.

Erinnern wir uns: «Der Geiz ist eine Wurzel böß’», ein Hinweis, dass wir zuerst Initial-Arbeit leisten müssen, das Betätigen der Stampfen (Pochwerk, Punkt d beim Holzschnitt ganz oben). Natürlich hat sich Bessler überlegt, wie er die geleistete Arbeit optimal zurückholen kann. Ein Drehmomentspeicher drängt sich auf.

Dazu brachte er an der Peripherie Zahnräder an, die im innern mit einer Spiralfeder versehen sind. Diese Zahnräder führen ein inneres Rad, besser gesagt einen elastischen Reifen, nach dem Prinzip einer Laufkatze. Dieser Reifen ist leicht exzentrisch angeordnet, so dass das mitgeführte invertierte Pendel im unteren, möglicherweise auch im oberen Viertel eingeklemmt wird, im linken und rechten Viertel kann sich das Pendel frei bewegen. Wie er das bewerkstelligt hat, sehen wir später.

Wird nun ein Stampfer angehoben, bewirkt die Trägheit des Reifens, plus die Trägheit des invertierten Pendels, ein Speichern des Drehmomentes.


Die Konstruktion

Für den Aufbau der Konstruktion folgen wir Besslers Gedicht aus seinem Werk «Apologia». Wir werden sehen, wie dieses Gedicht auf raffinierte Weise den Bauplan für sein Perpetum Mobile enthält.


Der Geiz ist eine Wurzel böß’ 

Es muss Initial-Arbeit geleistet werden, das Betätigen des Pochwerks.


Ein Amboß krieget viele Stöß’ 

Die vibrierende Achse.





Ein Fuhrmann fährt, ein Läufer läuffet; 
Der Seher sieht, der Käufer käuffet, 
Der Regen fliess’t, der Schnee der fällt; 
Die Büchse schiess’t, der Bogen schnellt; 
 

Diese vier Zeilen beschreiben einerseits die Substanz (Form und Bewegung) des Rades, andererseits die wirkenden Kräfte.
Die Substanz wird mittels der ersten Zeile beschrieben. Diese Zeile unterscheidet sich von den anderen drei durch den unbestimmten Artikel.

Fuhrmann: der sich drehende Teil, äusseres Rad und elastischer Reifen.

Läufer: das invertierte Pendel, gleicht einer Laufbewegung, da ja nur in einem bestimmten Abschnitt eine Berührung besteht.

Seher: Das Schwingen der Achse, in der Richtung wo kein Kontakt zum Pendel besteht. Das Pendel folgt durch die Zentrifugalkraft der Achse hintennach.

Käufer: Das Schwingen der Achse, in der Richtung wo Kontakt zum Pendel besteht. Die Achse zieht das Pendel nach innen und wird dadurch beschleunigt, ein faires Kaufgeschäft.

Regen fliesst: die beschleunigte Bewegung des Pendels, das gezogene Pendel gleicht der Adhäsion (Zusammenhangskraft) von fliessendem Wasser.

Schnee fällt: keine Adhäsion, freier Fall des Pendels.

Büchse schiesst: das Aufschlagen des Pendels im Drehmomentspeicher.

Bogen schnellt: das Pendel verlässt den Drehmomentspeicher beschleunigt, da der elastische Reifen sich kurz vorher etwas weitet und dann wieder zurückschnellt. Dieser Effekt wird durch das Pochwerk ausgelöst, genauer gesagt durch das Aufschlagen der Stampfen. Der entstehende Schalldruck drückt das Rad leicht zusammen, was die Geometrie der Aufhängung des Drehmomentspeichers verändert. Dieser Mechanismus bildet die grundsätzliche Steuerung des ganzen Ablaufs. Wie er im Detail funktioniert, sehen wir später.




Jetzt folgt die Beschreibung der eigentlichen Bauteile der Maschine, von innen nach aussen.
Auffällig ist, wie die einzelnen Bauteile stets drei ganz verschiedene Funktionen erfüllen, wie Bessler selbst sagte: Ein Ding besteh’t aus den drei Reichen.



hier wandern eine große Heerde
Sehr fette, faule, dicke Pferde;
Die Flegel wollen insgemein 
Bei Dreschern, nicht bei Doctor’n sein’  
 

Die Pferde, ein Last- und Arbeitstier, sind grosse Kugellager aus Messing. Messing eignet sich für eine Anwendung ohne Schmierung, da es einen winzigen Abrieb aufweist.

Sie erfüllen folgende drei Funktionen.

1. Das Tragen des Rades (der Doktor).
2. Das Anregen der Achsschwingung (der Drescher).
3. Die Grundlage der exzentrischen Aufhängung des Drehmomentspeichers.
Tatsächlich wurde beim Inventar Besslers solche grossen Messingkugeln gefunden:
siehe Bessler Inventar

Diese Messingkugellager haben unterschiedliche Grössen. Die beiden dreier Serien im mittleren Teil sind etwas kleiner als die restlichen. Dadurch kippt die Achse links und rechts etwas nach unten.




Diese Anordnung erzeugt bei den innen liegenden Kugellagern einen Freiraum, damit die Achse in ihrer Schwingung möglichst unbehindert ist. Gleichzeitig schlägt eine der Kugeln periodisch an die Achse um die Schwingung anzuregen. Das Rad wird also ständig nur durch eine Kugel getragen, dies mehrheitlich in einem leicht exzentrischen Auflager, vor und zurück schwingend. Das ganze Rad ist somit selbst ein Pendel (minimale Ausschläge). Es ist diese Schwingung, die Bessler mit seinen beiden äusseren Pendeln abdämpft.




Ebenfalls bedingt durch diese Anordnung ergibt sich ein Profil des Rades, das unten dicker als oben ist. Bessler äussert sich ganz deutlich in seinem «Triumphirat»: ...die Höhe/Dicke oder Profil aber in 15. bis 18. Zoll hält. Betrachtet man den obigen Holzschnitt (oder Kupferstich), sieht man ebenfalls wie das Rad unten wesentlich breiter als oben ist.

Damit ist eine Grundlage für die exzentrische Aufhängung des Drehmomentspeichers gegeben.




Bessler (Apologia):
Frag' die, so in mein Werk getastet,
Und dessen Welle angefastet;
Alsbalde du versichert bist,
Daß meine Welle nicht so ist,
Sondern, sie hat vielmehr viel' Fächer;
Ja, durch und durch verschiedne Löcher.
Die Kinder spielen auf den Säulgen 
Mit lauter schweren Schniebe-käulgen;
Lufft-Springer Feder-fechter sind  
Geschwind und hurtig wie der Wind.
 


Die Kinder sind kleine Räder, die an beiden Pendelenden drehbar gelagert angebracht sind. In diese Räder sind Gewichte einsetzbar, die mit einer Spannfeder etwas gehalten werden. Gleichzeitig sind Blockiervorrichtungen vorhanden, die den Drehbereich auf 180° einschränken.
Schlägt das Pendel im Drehmomentspeicher auf, schnellen die Gewichte infolge ihrer Trägheit nach oben.

Ihre drei «Reiche» sind:

1. Energiegewinn durch Gravitation (freier Fall des übergewichtigen Pendels) und durch die Schwingung der Achse (das Hereinziehen der Masse).
2. Wirksame Masse für den Drehmomentspeicher.
3. Stabilisierung des Drehmomentspeichers (Speichen).
«Luftspringer», nach altdeutschem Lexikon einer der ausgefallene Luftsprünge (Salto) macht. Dies ist das hochschleudern der Gewichte. Bessler schreibt in seiner «Apologia»: Sie treten als Paare auf, so dass, wenn einer die äussere Position einnimmt, der andere eine Position näher zur Achse einnimmt. Später tauschen sie die Plätze, und so fahren sie fort die ganze Zeit.

«Federfechter» ist eine mitteralterliche Fechtzunft, die mit speziellen Trainingsschwertern trainieren. Die Schwerter sind so konstruiert, abgesehen von einer stumpfen Spitze, dass sie den Schlagpunkt über die Schwertspitze hinaus simmulieren, also wie ein invertiertes Pendel.



Die doppelte Ausführung ist für den bidirektionalen Modus notwendig. Denn durch die Blockiervorrichtung und Spannfeder-Anordnung, erfüllt der Mechanismus seine Pflicht nur in eine Richtung.
Daraus folgt, dass das eine Pendel immer übergewichtig ist, das andere nur bei jeder zweiten Umdrehung. Für beide zusammen gilt: einmal übergewichtig, das anderemal gleichgewichtig bis leicht übergewichtig, da die Pendel-Halterung zur Achse Spiel aufweist und durch die Exzentrität des Drehmomentspeichers auch hier der Fall eines leicht invertierten Pendels gegeben ist.

Damit bei jeder Umdrehung ein Effekt eines übergewichtig invertierten Pendels vorliegt, ordnete Bessler zwei solcher Pendel an.


Bessler (Apologia):
Denn wenn ich mache hier bereits
In ein Werk gleichsam nur ein Creuz,
So wird man es ganz langsam sehen
Kaum von sich selber herum drehen;
Hingegen, wenn ich zugericht?t
Viel Creuze, Züge, und Gewicht?,
So kan das Werk viel schneller lauffen;
Wirfft Wagners Rechnung übern Hauffen;
Ja, die mir zu erkandte Schand?
Wird weg von Mir auf Ihn gewandt.
Die schlaue Katze schleichet leise,  
Und haschet feine fette Mäuse. 
 


Die Katze, wie schon vorweggenommen, ist der Drehmomentspeicher, inklusive äusseres Rad.
Die schleichende Bewegung ist das Vor- und Zurückschaukeln des elastischen Reifens. Die fetten Mäuse sind natürlich die herabfallenden invertierten Pendel.

Das Drehmoment wird durch die Spiralfedern im innern der Führungs-Zahnräder gespeichert.

Ihre drei «Reiche» sind:

1. Drehmomentspeicher.
2. Kraftübertragung.
3. Basis-Konstruktion.
Die äusseren Räder haben im Zentrum innwendig einen Zahnradkranz. Dieser treibt die 3 Zahnräder der «Herde» an. Diese wiederum treiben einen äusseren Zahnkranz auf der Hauptachse (Hund) an. Wie man unschwer feststellt handelt es sich hier um ein überdimensioniertes Planetengetriebe.

Dies ist notwendig, damit beim Betrieb des Rades in beide Richtungen die Stampfvorrichtung betätigt werden kann. Das heisst also, der Teil der Hauptachse, der die Stampfen hebt, dreht sich immer in die selbe Richtung. Dieses Verhalten kann durch ein Planetengetriebe realisiert werden, je nach dem der Steg (Halterung der Planetenräder) festgehalten wird oder ob er mitläufig ist.

Dieses Verhalten kann mit folgenden Java-Applet (Simmulation Planetengetriebe) analysiert werden:

Simmulation Planetengetriebe

Stelle für den Motor den Wert auf 850.
Für den einen Drehsinn, stelle die Engine auf 0 -> der Genarator dreht jetzt mit -2250.
Für den anderen Drehsinn, stelle die Engine auf 1250 -> der Generator dreht jetzt mit +2310.
Die kleinen Unterschiede entstehen, da das Applet nicht stufenlos operiert.
Der Hund auch aus der Hütten kreuch’t, 
Doch nur so weit die Kette reich’t. 
Die schönen Schätzen und Machinen 
Weiß er sehr freundlich zu bedienen; 
Er wädelt wohl mit seinem Schweiff 
Kriecht auf dem Bauche durch den Reiff, 
Dafür ihn bald die dürren Poppen 
Auch ziemlich auf die Pfoten kloppen;
 


Der Hund bewacht die äusseren Regionen. Er bildet auf eine Art die Haut der Maschine. Im wesentlichen besteht er aus zwei dickwandigen hölzernen Hohlzylindern, die links und rechts über die grossen Kugellager (Herde) gestülpt werden. Er bewacht somit die Herde.

Seine drei «Reiche» sind:

1. Antrieb des Pochwerks.
2. Trimmfunktion.
3. Hält die verschiedenen Teile der Achse zusammen.
Der Hund auch aus der Hütten kreuch’t, 
Doch nur so weit die Kette reich’t.

Die beiden Kurbeln auf beiden Seiten der Hauptachse dienen zum trimmen des Drehmomentspeichers, d.h. zum optimieren der Energiegewinnung der invertierten Pendel.


Bessler (Apologia): Die Corben in die Welle waren
Von vielen auß- und eingeschraubt/
(Denn allen Freunden wars erlaubt.)
Dreht man an der Kurbel, so wird, je nach Drehrichtung, das Rad gespannt (auseinander gezogen) oder entspannt. Dies wirkt sich auf die Exzentrizität des Drehmomentspeichers aus. Der Bereich, wo die invertierten Pendel Kontakt haben, vergrössert sich, die Fallstrecke verkleinert sich und umgekehrt.
Natürlich kann das Rad nur soweit gespannt werden, bis die Aufhängung des Drehmomentspeichers gestreckt ist (Doch nur so weit die Kette reich’t).

Zudem lagern diese Kurbeln in zwei Pfannenlagern, von denen Bessler erwähnt, dass sie ...am Orte etwas zugespitzt sind. Diese Pfannenlager wiederum sind in zwei ziemlich schmalen Bretter verankert, die zur obigen Halterung etwa den selben Abstand aufweisen wie zur unteren Halterung. Es scheint auch dies wieder ein schwingfähiges System zu bilden.
Wichtigste Funktion dieser schwingungsfähigen Auflagerung besteht im «Timing» (Synchronisation) der freifallenden invertierten Pendel. Denn jedesmal wenn einer der Stampfen runterfällt und mit lautem Knall auf den Holzkasten aufschlägt, verursacht der Schalldruck ein zusammendrücken des Rades, ermöglicht durch diese schwingungsfähige Lagerung.
Der elastische Reifen des Drehmomentspeichers senkt sich etwas und übergibt dadurch die Pendel dem freien Fall.
Die schönen Schätzen und Machinen 
Weiß er sehr freundlich zu bedienen;

Der dickwandige Hohlzylinder bildet den Hauptteil des Hundes. In seine dicke Haut sind noch Holzlatten eingeschraubt (die Pfoten, nicht eingezeichnet), welche die Hebevorrichtung des Pochwerks (Maschinen) bedienen.
Die Bedienung der schönen Schätzen meint das trimmen der Fallstrecke der invertierten Pendel (die Kinder sind die Schätzen).

Er wädelt wohl mit seinem Schweiff 
Kriecht auf dem Bauche durch den Reiff, 
Dafür ihn bald die dürren Poppen 
Auch ziemlich auf die Pfoten kloppen;

Die Kurbeln werden fest verbunden mit dem linken und rechten Abschlussdeckel. Kurbel und Abschluss bilden dann die Arretierung des Steges des Planetengetriebes (für einen Drehsinn, beim gegenläufigen Drehsinn läuft der Steg mit). Deshalb ist innwendig eine Rücklaufsperre angebracht, die das Ende der Kugellager-Halterung (Herde) aufnimmt. Natürlich muss zur Arretierung die Kurbel mit den äusseren Pendel verbunden werden. Obwohl Bessler erwähnte, dass das Rad auch ohne die äusseren Pendel läuft, vermute ich, dass dies nur für einen Drehsinn gilt.

Die Arretierung des Stegs führt, wie wir bei den verschiedenen Kugellagerstellungen gesehen haben, zu einer leichten Pendelbewegung, (Er wädelt wohl mit seinem Schweiff).

Kriecht auf dem Bauche durch den Reiff: ein Hinweis auf das Einknicken der Hauptachse durch die unterschiedlich grossen Kugellager.

Dafür ihn bald die dürren Poppen 
Auch ziemlich auf die Pfoten kloppen:
Die Poppen sind die langen Hebevorrichtungen des Stampfwerks, die dem Mahnfinger eines kirchlichen Würdenträgers gleichen.
Die grundsätzliche Konstruktion ist hiermit abgeschlossen. Was anschliessend folgt, sind weitere Hinweise, die verschiedene Aspekte des Rades betreffen.
Man sieht ein Rad, und auch kein Rad,
Weils Felgen und auch keine hat.
Läufft ohne in’ und äußre Räder,
Zimbel-Gewicht, Wind und Uhr-Feder.



Die Felge ist ein Radkranz, der über Speichen an der Achse befestigt wird. Beim Bessler-Rad sind die Speichen die invertierten Pendel, sofern sie mit dem Drehmomentspeicher Kontakt haben. Da dies im laufenden Modus nur periodisch der Fall ist, ergibt die Aussage «Weils Felgen und auch keine hat» Sinn.

Der zweite Teil des Abschnitts weist darauf hin, dass keine mechanische Einrichtung vorhanden ist, die die antreibende Kraft (der Erste Beweger) auf das Rad überträgt. Auch dies ist hier gegeben, da die schwingende Achse diese antreibende Kraft darstellt. Die Achse wirkt direkt auf die invertierten Pendel.
Hier siehets halb, dort siehets ganz;
Es prahlet wie ein Pfauen-Schwanz.



Die alternierenden Gewichtsstände der invertierten Pendel:
Sind beide Gewichte oben, so ist der Energiegewinn im freien Fall grösser, das Pendel schlägt mit mehr Wucht im Drehmomentspeicher auf. Daraus folgt, dass die nachfolgende Phase, bei der die Pendel Kontakt haben, schneller und deshalb distanzmässig länger ist.
Die Bewegung in der Seitenansicht würde etwa folgendermassen aussehen:
Es läuff’t zur Rechten und zur Linken; 
Man darff ihm nur mit Fingern winken.



Die bidirektionale Auslegung des Rades zu Weissenstein. Folgendes ist bekannt:
Wenn man das Rad ganz leicht anstiess, blieb es wieder stehen. Stiess man es etwas stärker an, so beschleunigte sich das Rad von selbst, bis es nach etwa 2–3 Umdrehungen eine stabile, anhaltenden Rotation erreichte.

Auch dieses Verhalten ist leicht zu erklären. Stösst man es zu leicht an, so dämpft der Drehmomentspeicher die Rotation, das Rad pendelt leicht hin und her. Der Stoss muss so stark sein (oder länger geführt werden), dass das invertierte Pendel die Kontaktzone verlässt und zum freien Fall übergeht. Ab diesem Moment beschleunigt sich das Rad selbst.
Es breitet sich die Läng’ und Quer’,  
Hier ist es voll, dort ist es leer’; 



Die exzentrische Aufhängung des Drehmomentspeichers, ausgelöst durch die in der Mitte leicht eingeknickte Achse, bewirkt ein sich ständiges Ändern der Längs- und Querachse des Rades.

Für einen Beobachter scheint dieser fliessende Wechsel der Radabmessung statisch, denn unten ist der Querschnitt immer am breitesten und in der Mitte ist der Durchmesser am grössten.

Deshalb werden die invertierten Pendel im oberen und unteren Bereich vom Drehmomentspeicher eingespannt (voll) und im linken und rechten Bereich können sie frei drehen (leer).
Ein Ding besteh’t aus den drei Reichen;
Ihr habet hand-greiffliche Zeichen,
Ohn’ Schwefel, Salz, Mercurius
Auch bald ein Ding verfließen muß.



Schwefel, Salz, Quecksilber (Mercurius) sind drei grundlegende Begriffe aus der Alchemie. Sie bezeichnen die drei Grundtendenzen der Materie, ähnlich den drei Gunas der Hindus Sattvas (Schwefel), Rajas (Mercurius), Tamas (Salz). Dabei bedeutet Schwefel die aktive (aufsteigende) Tendenz, Salz die passive (absteigende) Tendenz, Quecksilber die neutrale (übertragende) Tendenz.

Auf die Mechanik des Bessler-Rades übertragen bedeuten sie: Impuls, Trägheit und Kraftübertragung. Der Impuls übernimmt die Herde (das Anschlagen der Kugellager an die Achse), die Trägheit übernehmen die Kinder (Masse des Drehmomentspeichers) und die Kraftübertragung übernimmt die Katze (Drehmomentspeicher).
Der Elementen Qualitäten;
Auch jedem Dinge sind vonnöhten.
Saturnus, Mars, Jupiter fein
Zu jederm Kriege willig sein.



Die Rolle der Elemente übernehmen die Herde (Feuer), Kinder (Wasser), Katze (Luft) und der Hund (Erde). Sie sind deshalb in den entsprechenden Farben eingefärbt.
Die Anordnung der Planeten im Sonnensystem kann als invertiertes Pendel interpretiert werden. Die Erde, die ja im traditionellen Weltbild nicht als Planet erscheint, bildet die Achse (Mittelpunkt) der sich drehenden Räder (Kinder).

Deshalb sind Saturn, Mars und Jupiter zu jedem Kriege willig, da sie das Pendel beschleunigen.
Das Ding auch, (wovon man sich nähret)
Durch Därm und Mark und Beine fähret;
Ein Krebs vorwerts und rücklings kriecht
Und ist gesund (wohl zugericht.)



Hier nimmt Bessler nochmals die Idee der drei Reiche auf. Die Aufnahme der Nahrung im Darm bildet den Impuls, das Mark überträgt die Energie und führt sie dem trägen (tragenden) Teil, den Beinen zu.

Der Krebs, der elastische Reifen des Drehmomentspeichers kriecht vor und zurück. Viele haben sich gewundert, warum Bessler hier von vor und zurück spricht, da ja allgemein bekannt ist, dass der Krebs diese Bewegung seitlich ausführt. Auch hier zeigt sich wieder seine Rafinesse, da ja die Bewegung tatsächlich seitwärts ist, wenn man nebenstehende Abbildung betrachtet.

Und ist gesund (wohl zugericht) weist auf den Umstand hin, dass die Auslegung dieses Elementes wesentlich ist, da es ja zur Übertragung des Energiegewinns dient. Kritisch sind hier vorallem die Länge des Zahnradkranzes (Zangen des Krebs) und die Dimensionierung der Spiralfedern der Räder, die in diesem Zahnradkranz laufen. Dies bestimmt die Wegstrecke und Zeit der Bewegung.
Die Polter-Geister frei spaziren
Zum öftern durch verschloss’ne Thüren;
Zwar stille, stille, und genug,
Genug, sonst wird der Feind nur klug;



Die Poltergeister sind die Schlag-Geräusche des Pochwerks. Sie bilden ja, wie wir gesehen haben, den zentralen Steuerungsmechanismus (Synchronisation) des Rades.

Auch sein «stille, stille, und genug» ist ein Hinweis auf das Schallphänomen.

Die verschlossnen Türen weisen auf die Schwierigkeit hin, die Abdeckung des Rades (imprägnierte Leine) genügend Luftdicht anzufertigen.

Wäre die Abdeckung nur vorhanden, um den Mechanismus des Rades zu verbergen, hätte normale Leine (nicht imprägniert) genügt.